Online-Wahlen?

Ein entscheidender Grundsatz des Wahlrechts lautet, dass in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer, geheimer und freier Wahl gewählt wird. Gerade dieser Grundsatz jedoch ließe sich bei einer Internet-Wahl nach derzeitigem technischen Stand nicht umfänglich gewährleisten. So heißt es etwa auf der Webseite der Bundeswahlleiterin, dass insbesondere die Geheimhaltung einer Online-Stimmabgabe – obwohl technisch prinzipiell möglich – einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordere und die Nutzung privater PCs praktisch ausschließe.

Ein weiteres Problem liegt in der Datensicherheit und der Kontrolle der Stimmabgabe, also der Überprüfung, ob jemand tatsächlich wahlberechtigt ist oder nicht. Beispielsweise könnte jemand im Namen einer anderen Person seine oder ihre Online-Stimme abgeben, wenn ein entsprechender Zugang etwa zu Nutzerdaten, Source-Codes, Passwörtern oder Logins eines Online-Wahlsystems vorläge. Die Ermittlung von Wahlergebnissen und die Stimmabgabe würden in diesem Zusammenhang intransparent, was zusätzlich das Vertrauen der Wahlberechtigten in einen ordnungsgemäßen Ablauf der Wahlen schädigen könnte.

Einige Länder, wie Frankreich und Estland, lassen bereits seit einigen Jahren die Möglichkeit zu Online-Wahlen zu, etwa für im Ausland lebende Mitbürgerinnen und -bürger. So berichtete beispielsweise „ZEIT Online“ 2022, dass Estland den digitalen Ausweis der Wählerinnen und Wähler und ein komplexes Verschlüsselungssystem nutzt, um die technische Sicherheit der Stimmabgabe zu gewährleisten. Eine zusätzliche Kontrolle erfolge dadurch, dass die noch teilverschlüsselten Wählerstimmen auf CD gebrannt und endgültig erst von mehreren Mitgliedern der Wahlkommission geöffnet werden – und zwar auf Computern, die nicht mit dem Internet verbunden sind.

Auf der Ebene des Deutschen Bundestags wiederum sprach sich 2022 der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung dafür aus, bei Bundestags- oder Landtagswahlen vorerst keine Online-Stimmabgabe oder sogenanntes E-Voting einzuführen. Dies solle zunächst weiter bei Sozialwahlen oder Gremienwahlen getestet und anhand der Erfahrungen wissenschaftlich ausgewertet werden. Die größten Herausforderungen und offenen Fragen lägen hier noch in der technischen Verifizierung der Wahlberechtigten und in der damit verbundenen Verhinderung von Wahlmanipulationen.

Die Einführung der Möglichkeit einer Online-Wahl könnte für manche Menschen einen einfacheren Zugang zu ihrer Stimmabgabe bedeuten. Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn der Weg zum Wahllokal weiter entfernt ist, sich jemand im Ausland aufhält oder durch körperliche Einschränkungen Zugangshürden bei einer Wahl vor Ort hat. Vielfach wird in diesem Zusammenhang auch diskutiert, dass E-Voting eine Ergänzung – also kein Ersatz – zu Wahlverfahren durch persönliche Stimmabgabe oder der Briefwahl sein kann.

Letztlich bleibt aber die Entscheidung, ob Online-Wahlen in Deutschland künftig möglich sein werden, vorerst ein Abwägen der Chancen, Herausforderungen und Risiken, inwieweit Internetwahlen die Wahlrechtsgrundsätze erfüllen.

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